Tourreport Milano, 24.11.2010

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    • Tourreport Milano, 24.11.2010

      Mittwoch, 24.11.2010, Milano


      Ich hab’s nicht anders erwartet. Die Italiener sind absolut verrückt. Schon vor der Türöffnung steht eine Meute da, dichtgedrängt, und brüllt Sprechchöre aller Art. „Airbourne, Airbourne“-Rufe genauso wie Fussball-Schlachtgesänge. Na Prost, wenn die sich jetzt schon so aufputschen.

      Herald kommt raus und filmt die wilde Bande und nebenbei auch gleich noch die illegalen T’Shirt-Verkäufer, die ein riesen Lager um den Eingang aufgebaut haben.

      So im Gedränge wie die Sardinen in der Dose klärt mich ein Italiano auf, dass ich dann richtig pushen müsste, wenn die Türe aufgehe, sonst hätte ich keine Chance auf einen Platz in der ersten Reihe. Hehe, danke für den Tipp, aber ich hatte auch nicht wirklich vor, mich vornehm zurückzuhalten.

      Kaum macht dann endlich die Security das Tor auf, schiebt die Masse unaufhaltsam nach vorne, fast wie bei Wacken am T’Shirt-Stand. Dafür, dass ich relativ spät gekommen bin, bin ich dann wieder recht früh drin und sprinte gleich mal zur ungewohnten rechten Seite, wie ich mir’s vorgenommen habe. Ich bin ziemlich weit draussen, direkt vor zwei riesen Lautsprechern, die wohl zum drauf stehen gedacht sind. Wenn ich sehe, wie in der Mitte jetzt schon gekämpft wird, dann bin ich zufrieden mit meinem Aussenposten. Blöd nur, dass die Barriers wunderbar niedrig sind, ideal zum Headbangen, aber ich kann mich wegen der Boxen nicht zu weit runter neigen, sonst könnte das mächtig schief gehen.

      Neben mir sind zum Glück schon wieder coole Leute, das ist gut so, denn es wird kontinuierlich enger. Kaum sind ein paar Nasen vor der Bühne versammelt, fangen die Sprechchöre wieder an, sogar für Enforcer. Nette Geste. Die sind dann bei ihrem Auftritt auch schwer begeistert und geben alles. Der Gitarrist legt sich sogar mal kurz auf die Menge, zum Glück halten sie ihn auch.

      Der Sänger von Enforcer steht auf den Speakern, ganz nah bei mir. Phuuu.... was für ein Geruchserlebnis! Kein Wunder, mit Lederhosen jede Nacht auf der Bühne.

      In der Umbaupause machen Herald, Mole und Adam wieder Witze, die sind ja super drauf in letzter Zeit. Herald stellt richtig viel Wasser auf, der kennt die italienischen Verhältnisse und weiss schon, dass das Publikum auch was brauchen wird.

      Endlich, endlich wird es dunkel und das Geschrei kennt keine Grenzen, als die Jungs die Bühne entern.

      Dave sieht mich sofort, reisst die Augen auf und lacht. Ja, Kumpel, damit hast du nicht gerechnet, hä? Ich gebe ihm gleich mal eine Kostprobe davon, wie das ist, wenn man mich auf der Seite hat und headbange, was das Zeug hält.

      Joel schaut auch nur einmal rüber und hat mich gleich entdeckt, trotz dem ungewohnten Standort. Wir können auch so miteinander singen. Bei der nächsten Gelegenheit steht er dann auch schon auf den Lautsprechern über mir und grinst auf mich runter, während er spielt.

      Streety braucht etwas länger, aber als er dann angerannt kommt und mich sieht, macht er einen überraschten Fullstop, reisst auch mal kurz die Augen auf und taucht gleich ab zum Headbangen. Jetzt wüsste ich gerne, was er denkt.

      Dave singt jetzt auch mit mir und grinst, ist wohl zufrieden, dass ich den Text – heute mal – problemlos hinkriege.

      Diesmal sieht mich sogar Ryan kurz an und endlich kapiere ich, wieso er das sonst nicht tut. Der Mann sitzt leicht schräg vor seinen Drums und schaut darum quasi immer in diese Richtung.

      Herald kann ich nirgends sehen, schade. Einmal Hallo winken wäre schön.

      Oh, Joel hat einen kleinen Fehler gemacht. Er hat seine Gitarre zu weit ins Publikum rausgehalten und die reissen jetzt dran wie blöd. Streety schaut grinsend zu, wie Joel versucht, das gute Stück wieder auf die Bühne zu zerren. Da passiert’s. Eine Saite reisst. Joel applaudiert dem Publikum, das nun kleinlaut die Gitarre hergibt, und gibt sie mit einem „Well done“ zum Publikum zurück an Adam. So spielt er Girls in Black dieses Mal mit der weissen Explorer und nimmt die auch mit auf den Ausflug ins Publikum.

      Ach schön, immer wenn einer der Jungs raus auf die Lautsprecher kommt, tröpfelt oder spritzt er – je nach Headbanging-Geschwindigkeit – schön kühl auf mich runter.

      Streety ist auch öfter hier. Heute abend im Tourbus bin ich bestimmt Gesprächsthema. Tja, manchmal muss man das Unerwartete tun.

      Die Menge zieht sich vorne immer enger zusammen, wie der Würgegriff einer Boa. Ich bin schon gut nassgeschwitzt und habe einen Hintermann mal kurz und böse in die Schranken gewiesen. Der behält jetzt seinen Körper immer schön ausserhalb meiner Reichweite. Sein erschrockener Blick war köstlich, aber ich grinse nur heimlich in mich hinein.

      Der junge Fan zwei Leute links von mir macht einen erbärmlichen Eindruck, hoffnungslos eingequetscht, nassgeschwitzte Haare, fix und fertig. Ich frage ihn, ob er’s noch aushält. Er nickt schwach, hält die Horns auf Halbmast und sagt nur: „There ain’t no way but the hard way.“ Das ist die richtige Einstellung!

      Die Jungs geben dauernd Wasserflaschen ins Publikum und auch Herald steht im Graben und gibt Wasser raus. Ein paar der Leute in der Mitte sehen wirklich völlig fertig und käsebleich aus, vor allem, da ja alle mindestens dreilagig aufeinanderhängen. Da hab ich es hier noch verhältnismässig gut. Ich kann trotz Lautsprecher richtig gut headbangen, das macht Spass, yay!

      Plötzlich dringt ungewohntes Geschrei an mein Ohr und ich schaue mal, wo das herkommt. Die Leute stehen der Abschrankung entlang sogar auf der Seite der Bühne, wo sie sicher auch einen interessanten Blickwinkel haben, und da sind zwei Italianos, die mir zujubeln und die Horns zeigen. Ha! Meine ersten Fans! Natürlich kriegen sie die Horns zurück, bevor ich dann wieder weiterbange.

      Das nächste Mal, als ich aufschaue, sehe ich rechts von mir etwas Kariertes aus den Augenwinkeln. Tatsächlich, es ist Herald, der ganz offensichtlich mal nach mir schauen wollte. Uns trennen nur ein paar Meter Fanchaos, ich winke ihm zu und gebe ihm ein Thumbs up, er lacht beruhigt und schaut mir noch eine Weile beim Rumflippen zu.

      Ein Fan klettert in der Mitte irgendwie aus dem Gewühl heraus in den Graben und will auf die Bühne. Gerade, als Joel wohl die Hand ausstrecken und ihm hoch helfen will, wird der Typ von einem unnötig aggressiven Security gepackt und unsanft abgeführt. Joel läuft sofort hinterher und verschwindet. Wir alle warten, und als er wieder da ist, sagt er, er wolle nicht, dass irgend jemand hier dem Saal verwiesen werde, denn wir alle seien purer Rock’n’Roll.

      Er sagt den Leuten auch, dass sie von der ganzen Tour seit Frühling wohl die wildesten Fans seien, vor denen sie gespielt hätten. „It feels like coming home!“

      Herald schaut jetzt von der andern Seite der Bühne zu und grinst mich ab und zu an. Meine „Fans“ jubeln abwechselnd Airbourne und mir zu. Voll cool!

      Streety kommt mal wieder zu Besuch und spielt so nahe bei mir, dass ich locker mal in die Saiten greifen könnte. Die Versuchung ist riesig, aber ich halte mich zurück und er grinst von oben runter während er bangt.

      Bei Stand up for Rock‘n’Roll sind wir alle ziemlich ausgepowert, das Publikum und die Band. Nach der Show gibt mir Herald eine Wasserflasche und meine Fans jubeln nochmal und rufen mir was zu, dass ich leider nicht verstehe. Wir grüssen uns international mit den Horns und dann mache ich mich auf den Weg zum Hotel. Ich kann kaum geradeaus gehen, komisch, hat mich wohl doch mehr gefordert, als ich gemerkt habe.

      Am nächsten Morgen entdecke ich dann auch einige neue blaue Flecken in meiner Sammlung, die sich stets erneuert.
      * * * Blessed are the cracked, for they let in the light! * * *
    • Re: Tourreport Milano, 24.11.2010

      LOL, JellowCat, ich glaube zwar, der kommentar ist eher "ha, ich bin sie los!" - "oh, mist, hätte ich bloss nichts gesagt, jetzt steht die plötzlich auf meiner seite! nimm sie zurück!" - "nöö..." - "doch!" :D

      Waspie, "trotzdem"? Als ob ich nicht mehr mit dir rede, tss, dabei tu ich das doch so gerne. :love:
      * * * Blessed are the cracked, for they let in the light! * * *