Airbourne live bei Eurockéennes Belfort 3. Juli 2010

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    • Airbourne live bei Eurockéennes Belfort 3. Juli 2010

      Als ich in Belfort am Bahnhof stehe, ist mir zum Heulen zu Mute. Weit und breit kein Taxi zu sehen, keine verdammte Tourist Info, nicht einmal irgendwo eine Telefonnummer, um ein Taxi zu rufen. Ich dachte, Belfort sei eine Stadt?! Fuck. Da steh ich nun, in der Hitze, einigermassen ratlos. Also, Französisch auspacken. Ich frage eine Einheimische, die mir versichert, dass es in Belfort tatsächlich Taxis gebe, nur wo die alle gerade seien, das sei ihr auch schleierhaft.

      Nach einer gefühlten Ewigkeit fährt dann doch noch ein Taxi in den Bahnhof, halleluja. Auf dem Weg zum Hotel sichere ich mir dann auch gleich die Nummer vom Taxiunternehmen, schliesslich habe ich noch was vor heute.

      Das Check-In ist kurz und schmerzlos, ich packe mein Handy ein, um nachts notfalls für die Heimfahrt ein Taxi rufen zu können. Den Asthma-Spray lasse ich im Hotel, das Festival ist im Grünen, ich erwarte keine Schwierigkeiten. Bloss nicht zu viel Gepäck.

      Erstaunlich, zehn Minuten nach meinem Anruf steht das Taxi vorm Hotel, nicht schlecht. Vom Bahnhof geht’s mit dem Zug raus in eine idyllische Umgebung, wo wir erst mal eine halbe Stunde lang um den See spazieren, um zum Gelände zu kommen. Kurz vor drei Uhr bin ich da, gleich ist Türöffnung. Zumindest theoretisch. In der Praxis sieht das anders aus. Die lassen uns ohne mit der Wimper zu zucken fast eine Stunde in der prallen Sonne stehen. Als wir dann endlich rein können, sind wir erst mal sauer und erschöpft. Ich besorge mir einen Drink, schlendere etwas übers Gelände, ein Naturschutzgebiet mit Bäumen, Strand und Wiesen, dann mache ich es mir im Schatten eines Baumes gemütlich.

      Das Musikprogramm hier interessiert mich nicht, ich will nur Airbourne sehen. Trotzdem – oder gerade deshalb – suche ich mir noch vor dem ersten Konzert auf der Hauptbühne in der ersten Reihe meinen Lieblingsplatz aus und sehe auch schon andere Airbourne-Fans, die die gleiche Idee haben.

      Die Band vor Airbourne heisst Broken Social Scene. Nicht meine Musik, aber okay. Wir klatschen brav, dafür zeigt uns der Gitarrist die Horns. Musikstil-übergreifende-Verständigung, sozusagen. Nach einer Stunde progressive Pop geht’s in die Umbaupause vor Airbourne. Die Sonne scheint uns erbarmungslos ins Gesicht und wir setzen uns in den spärlichen Schatten der Absperrung. Die ist übrigens angenehm niedrig, ich werde also endlich wieder mal richtig gut headbangen können.

      Nach ein paar Minuten Umbaupause wird es schon merklich enger und wir müssen wieder aufstehen. Genau vor mir ist ein Wasserschlauch angeschlossen. Wieso benutzt den eigentlich keiner? Etwas Abkühlung wäre dringend nötig. Dafür spritzt ein feiner Strahl Wasser genau vor mir auf die Absperrung. Super. Das wird eine Rutschpartie. Aber nichts da! Meine Nebenmänner machen sich gleich daran, eine Lösung zu finden. Da wird gedreht und geschraubt und am Ende hat einer den zündenden Einfall. Er bindet ein Papiertaschentuch ums Leck und nun tröpfelt das Wasser gemütlich am Taschentuch runter auf den Boden. McGyver wäre blass geworden vor Neid!

      Endlich geht es los. Airbourne stürmen die Bühne und ich kann – abgesehen vom Gedränge – gut headbangen. Joel’s Mikro ist etwas leise, weshalb ich nicht immer ganz sicher bin, wo im Text er gerade steckt, aber macht ja nichts, ausser ihm schaut eh keiner, ob ich mitsinge.

      Streety hat mich entdeckt und grinst. Er teilt heute sein Wasser mit den Fans. Irgendwie komme ich heute gar nicht so dazu, die Jungs zu beobachten, bin zu beschäftigt damit, meinen Platz zu behalten und zu bangen. Und die Crowd Surfer wollen auch kein Ende nehmen.

      Bei Girls in Black klettert Joel wieder im Gestänge herum, ich kann ihn kaum sehen, er ist auf der andern Seite der Bühne hochgeklettert. Dafür grinse ich zu Herald rüber, der gemütlich an der Seite steht und uns beim Schwitzen zuschaut. Die sengende Sonne scheint zwar nur ins Publikum, aber die brütende Hitze macht auch vor den Jungs auf der Bühne nicht halt. Dave tröpfelt vor sich hin und verdreht die Augen, während Streety sich eine Dusche nach der andern genehmigt.

      Streety singt beim Chorus von Girls in Black explizit mich an und grinst, ich bin wohl die einzige Frau heute, die in der Hitze im schwarzen Airbourne-Shirt aufgekreuzt ist. Das Shirt ist auch schon klatschnass, genau wie meine Haare.

      Um den Fans diesmal klar zu machen, was er meint, lässt Joel sich bei der „Kumpel-auf-die-Schultern-nehmen“-Aktion exemplarisch von Adam auf die Schultern nehmen. Der Arme schaut etwas angestrengt. Keine Ahnung, ob das etwas bringt, ich bin zu eingeklemmt, um nach hinten zu schauen.

      Wir rocken im wahrsten Sinne, bis der Arzt kommt. Die Sanität rennt full speed vor uns durch auf die andere Seite der Bühne. Irgendwann geht sogar Joel die Puste aus und er steht einen Moment einfach da und muss erst mal wieder Luft holen.

      Als ob die drückende Hitze nicht genug wäre, kommt plötzlich eine riesen Staubwolke von hinten und legt sich über uns. Das Gelände ist sehr trocken und ich bin mir nicht sicher, was der Auslöser für diesen Sandsturm ist, die Leute im Pit vielleicht, oder der Wind? Wobei, Wind spüre ich hier keinen und sehen kann ich auch nicht mehr viel. Atmen kann ich gleich vergessen. Mist. Hätte ich mal mein Asthma-Spray eingepackt.

      Die Wolke muss imposant aussehen, Herald kommt mit der Kamera auf die Bühne, fotografiert und filmt. Ich huste.

      Bei „Too much too young...” singt Streety üblicherweise immer die zweite Strophe mit. Dieses Mal sieht er mich singen und singt dann auch die erste Strophe mit. Aber leider nicht ganz korrekt. Er singt „they make it their way so they always LOSE”, bemerkt den Fehler gleich, da Joel und ich korrekt gesungen haben „so they always win“, schaut einen Moment peinlich berührt, grinst und lässt uns alleine weitersingen. Bei der zweiten Strophe ist er dann wieder mit dabei, die kann er wenigstens. ;)

      Nach dem Konzert übt sich Streety wieder im „Long-distance-guitar-pick-hurling“. Ich staune, wie weit er mit den Dingern kommt. Danach verteilt Herald die restlichen Wasserflaschen. Wir winken uns kurz zu, dann habe ich Zeit, mal einen Blick auf meine Arme zu werden, total braun vom Staub, nassgeschwitzt, okay, dann kann ich mir ja vorstellen, wie der Rest von mir aussieht. Ungeachtet meines „Vogelscheuche-im-Sandmantel“-Looks hüpft Herald von der Bühne und umarmt mich, gibt mir eine Setlist und eine Wasserflasche. Ich liebe den Mann! Er weiss einfach, was ich brauche. :D

      Danach suche ich mir erst mal ein Plätzchen zum Sitzen und Husten. Boah. Staublunge im wahrsten Sinn des Wortes! Und so langsam macht sich Hunger bemerkbar. Nachdem ich mich etwas erholt habe, spaziere ich zurück zum Bahnhof. Wirklich schön hier. Nur jetzt am Abend kommen die ganzen Blutsauger aus ihren Verstecken. Mosquito go home! Argh!

      Im Hotel muss ich zuallererst mal duschen, den ganzen Dreck abspülen, die strohigen Haare entwirren und pflegen und dann sinke ich endlich ins Bett und will von diesem genialen Gig träumen, da merke ich, was für Kopfschmerzen ich habe. Au. Zuviel Hitze heute, zu viel Husten. Also wieder raus, Schmerztablette einwerfen. Die Nacht ist kurz und ich schlafe nicht wirklich gut.

      Aber den Gig werde ich nicht so schnell vergessen! Airbourne geben einfach alles, und offenbar sogar noch ein bisschen mehr, wenn sie unter widrigen Umständen spielen. Bei der Show in Jonschwil in Kälte und Regen waren sich auch so wie entfesselt, und hier in der Gluthitze mit Sandsturm genauso. Ich bin beeindruckt. Respekt, Jungs!
      Bilder
      • Setlist Eurockéennes 3. Juli 2010_s.jpg

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      * * * Blessed are the cracked, for they let in the light! * * *