1. und 2. April 2010 - Kamelot in Pratteln und Airbourne in Liverpool

    Diese Seite verwendet Cookies. Durch die Nutzung unserer Seite erklären Sie sich damit einverstanden, dass wir Cookies setzen. Weitere Informationen

    • 1. und 2. April 2010 - Kamelot in Pratteln und Airbourne in Liverpool

      Oh, Mann, ich hab mich in Luxembourg auf dem arschkalten Bahnhof im Nirgendwo erkältet. Trotzdem musste ich zur Arbeit und zu einer Tagung letzte Woche, was der Gesundheit auch nicht gerade zuträglich war.

      Am Donnerstagnachmittag sagt dann natürlich meine Freundin ab, sie will nicht mitkommen zu Kamelot. Ich kenne das schon, also einmal mehr alleine on the road. Ist eh besser so, dann kann ich machen, was ich will.

      Das Kamelot-Konzert heute ist schon Tradition. Seit Jahren spielen sie immer Ende März/Anfang April im Z7 in Pratteln. Ich war schon in Versuchung, dieses Jahr zu kneifen und mir stattdessen nochmal Airbourne anzuschauen, aber Kamelot liebe ich auch sehr, wenn sie auch zurzeit nicht wirklich meinem Bedürfnis nach kompromissloser Härte entsprechen.

      Die Jungs sind heute super drauf, Khan ist gut bei Stimme und ich freue mich zu sehen, wie er sich wohlfühlt und mit dem Publikum Spass hat. Sie spielen alle meine Lieblingssongs („The Human Stain“, „Center of the Universe“, „Wander“, ...) nur leider kann ich nicht mitsingen. Ich versuch’s, aber keine Stimme, Hustenanfall, Mist. Ein paar neue Songs spielen sie auch, super schöne Melody-Lines, trotzdem hart. Ich freue mich schon aufs neue Album, hoffentlich im Juni.

      Natürlich killen wir einmal mehr den Dezibel-Meter, der regelmässig bei 120 DB den Geist aufgibt (Airbourne hätten sicher auch ihren Spass damit). Khan kann’s nicht fassen „Is this true?“ fragt er den Mann vom Sound, der nickt. Ja, 120 DB ist nicht ohne, meine Ohren pfeifen die ganze kurze Nacht.

      Am nächsten Morgen geht’s früh los, per Zug von Pratteln nach Basel, Umsteigen im Eiltempo in den TGV. Auf nach Paris. Dort Bahnhof wechseln, mit dem Eurostar nach London, wieder Bahnhof wechseln und weiter nach Liverpool. Ich bin den ganzen Tag unterwegs. Warum ich nicht fliege? Es ist Ostern. Flüge sind einfach unbezahlbar. Gegen Abend komme ich dann im Hotel an, welches für britische Verhältnisse erstaunlich modern ist (keine pink Stofftapeten!). Okay, modern abgesehen vom Bett. Wenn man sich reinlegt, hat man das Gefühl, immer tiefer zu sinken und vielleicht nie mehr da raus zu kommen.

      Aber was rede ich vom Bett? Klamotten wechseln und ab geht’s zur O2 Academy gleich um die Ecke. Fuck! Da stehen lauter Teenies! Was ist denn hier passiert? Ich bin sprachlos, geschockt. Aber da steht Adam und quatscht mit Security. Die Adresse stimmt also. Ich lasse mich dann aufklären, dass Airbourne um die Ecke, in der oberen Etage spielen, während die aufgetakelten Brit-Teen-Queens eine andere Show sehen. Phu! Erleichterung. Tatsächlich, um die Ecke und ich bin in einer anderen Welt. Und wie ich es liebe, dass die Briten einen immer gleich mit „Darling“, „Love“ oder sowas ansprechen. Da fühlt man sich gleich ganz anders.

      Ich stehe in der zweiten Reihe. Hmm.... aber mal sehen. Immerhin sind die vor mir schön klein, ich habe also freie Sicht.

      Zuerst kommen Taking Dawn auf die Bühne, der Basser schaut mich eine Weile an, ist sich wohl nicht sicher. So schnell wird man also vergessen. Na ja. Die Jungs sind offensichtlich froh, im englischsprachigen Gebiet unterwegs zu sein, endlich mal keine „Missverständnisse“ mehr zu befürchten.

      Die Black Spiders sind hier wohl sowas wie Lokalmatadoren. Das Publikum ist hin und weg und sie haben zumindest einen Song, der absolut international hitverdächtig klingt. Super Gitarren-Riff und geht vorwärts ohne Schnörkel und Umwege. Leider sind sie selbst so begeistert davon, dass dieses Riff in anderen Songs, minim abgewandelt, wieder auftaucht. Ich bin unschlüssig, ob mir das gefällt oder ob es nicht doch etwas eindimensional ist. Werde sie mir aber auf jeden Fall online nochmal in Ruhe anhören.

      Als dann endlich Airbourne die Bühne entern, legen die Zuschauer noch einen Zahn zu. Schon erstaunlich, wieviel Lärm eine relativ kleine Menge machen kann. Die Damen vor mir stehen leider nur da und schauen wie die Kühe auf der Weide, wenn ein UFO landet. Tsss.

      Wenigstens Streety erkennt mich gleich auf den ersten Blick, auch hier in Great Britain. Er grinst, alles bestens, und ab geht die Show. Es dauert nicht lange, schon bin ich – unter äusserst zaghaftem Protest einer der Ladies – in der ersten Reihe. Ich bin sonst nicht so, aber wer nur dumm rumsteht, gehört einfach nicht da hin. Was sollen denn die Jungs denken, wenn keiner mit rockt? Nee, also wirklich. Die protestierende Lady beachte ich gar nicht weiter, lass ihr stattdessen meine Haare um die Ohren fliegen. Sie nimmt Abstand und rührt sich für den Rest der Show nicht mehr.

      Joel, der Gute, ich frage mich, auf was der gerade drauf ist. Die Songtexte der neuen Songs singt er perfekt und schaut öfter rüber, ob ich auch mitsinge. Natürlich tue ich das und ich kann diesmal sogar auch den Text von „Steel Town“. Dafür ist mir „Born to kill“ entfallen, aber da schaut er zum Glück grade nicht hin. Die Erkältung macht mir zwar schon noch etwas zu schaffen, aber immerhin geht’s schon viel besser als gestern. Anyway, die neuen Songs sind also paletti, aber bei „What’s eatin‘ you“ singt der Mann doch glatt die zweite Strophe zuerst. Er merkt es gleich, grinst und singt ungerührt weiter. Er macht das so selbstverständlich, dass der Song nicht im mindestens beeinträchtigt wird. Als dann die zweite Strophe dran wäre, singt er einfach die erste. Dave und Streety sind auch völlig cool ob soviel künstlerischer Freiheit und zucken mit keiner Wimper.

      Bei „Girls in Black“ ist es dann allerdings unmöglich, zu folgen. Joel würfelt die einzelnen Textbausteine durcheinander, singt erst den ersten Teil der ersten Strophe, hängt dann den zweiten Teil der zweiten Strophe dran, grinst von einem Ohr zum andern. Tja, dann ist es wohl besser, wenn ich den Song durch einfach bange und mich auf den Chorus beschränke. Schön, dass sie „Back on the Bottle“ wieder spielen, den Song hatte ich schon vermisst. Die „Beer, wine, whiskey and gin“-Line finde ich einfach genial. Wie kann etwas so simples so genial sein? Oder vielleicht ist es gerade, weil es so simpel ist, so genial? Über Airbourne Songtexte könnte ich stundenlang philosophieren. Die geben einfach viel her und neben der vordergründigen, meist explizit versauten Bedeutung, gehen die meisten Songs bei näherer Betrachtung etwas tiefer und haben weitere Facetten an sich. Cool. Ich möchte zu gerne mal dabei sein, wenn ein neuer Airbourne Song entsteht.

      Wo waren wir? Ach ja, der Boden bebt, die Wände wackeln, es ist einer der lautesten Gigs dieser Tour. Die Decke ist ziemlich niedrig und es wird schnell richtig heiss. Zwei Leute rechts von mir steht einer, der auch mit rockt, ich bin richtig erleichtert. Der Rest der ersten Reihe ist einfach zu zahm heute. Weiter hinten allerdings wird gegröhlt und gemosht, wie es sich für eine Steel Town Crowd gehört.

      Joel spielt auch dieses Mal hinten auf einem Podest, zum Klettern ist die Academy einfach zu niedrig. Die niedrige Höhe trägt aber sonst nur zur Stimmung bei, man fühlt sich wie in einer Höhle, in einem tiefen schwarzen Loch (Wände und Decke sind schwarz), gar nicht, als sei man direkt unterm Dach. Sehr speziell.

      Nach dem Konzert stehe ich erst mal geschafft und glücklich da und konzentriere mich aufs Atmen. Streety hat es aufgegeben, mir ein Gitarren-Pick schenken zu wollen und geht gleich zur andern Seite der Bühne. Der Rocker neben mir reicht mir eine Wasserflasche. Danke! Und dabei waren wir nur indirekte Nachbarn.

      Der Airbourne-Wasser-Mann hat mich gesehen, hüpft von der Bühne runter und umarmt mich. „Schön, dass du hier bist!“ sagt er. Das tut gut. Wir unterhalten uns ein wenig, er bietet mir auch noch was zu trinken an. Sehe ich so abgekämpft aus? Vermutlich. Die Erkältung, die Hitze, ein Airbourne-Konzert ist auch in fittem Zustand anstrengend. Ich sage ihm, ich sei in Manchester auch dabei und er fragt, ob ich ein Ticket habe, er könne mich sonst auf die Gästeliste setzen. Wow. Ich bin echt gerührt. Der Typ ist einfach nur warm und freundlich ohne Ende.

      Wir quatschen noch ein wenig, dann muss er zurück zur Arbeit und ich mache mich mit pfeifenden Ohren auf den Weg zum Ausgang. Ein Ordner sieht mich schon von Weitem kommen und hält mir die Türe auf: „Good night, darling!“. Mensch, die sind alle so nett zu mir, glücklich schwebe ich zurück zum Hotel.
      Bilder
      • Setlist_Liverpool_2010_04_02_small.jpg

        258,85 kB, 733×1.024, 6 mal angesehen
      * * * Blessed are the cracked, for they let in the light! * * *

      Dieser Beitrag wurde bereits 1 mal editiert, zuletzt von Starlight ()