Tourbericht Greenfield Festival 13. Juni 2015

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    • Tourbericht Greenfield Festival 13. Juni 2015

      Samstag, 13. Juni 2015, Greenfield Festival,
      Interlaken


      Morgens früh um 6 Uhr raus aus den Federn, erst mal die Pflanzen giessen, Wäsche
      bügeln, Geschirr abwaschen... und die ganze Zeit überlegen, ob ich nun soll,
      oder nicht. Soll ich zum Greenfield? Hmm.... dann plötzlich packt es mich und
      ich muss mich direkt beeilen, um noch rechtzeitig zum Zug zu kommen. Kaum setzt
      der sich in Bewegung, kommen erste Glücksgefühle auf. Es fühlt sich gut an,
      wieder on the road zu sein.

      Interlaken liegt nicht gerade am Weg. In der gleichen Zeit, nämlich fast vier Stunden,
      könnte ich auch locker nach München fahren. Aber was soll’s, ich reise mit
      leichtem Gepäck, nehme den letzten Nachtzug nach Hause.

      Schon die Fahrt dorthin ist wunderschön. Interlaken liegt zwischen dem Thuner- und
      dem Brienzersee. Beide unglaublich schön, die Berge reichen bis ans Ufer, nur
      ein schmaler Streifen bleibt für die Bahnlinie, ein paar Häuser und die
      Badenden. Das Wasser ist blau und klar und das Wetter sieht besser aus, als es
      der Wetterbericht vorhergesagt hatte.

      Der Dorfbus bringt mich zum Festival und dort beim Bändeltausch folgt auch schon
      die erste nette Begegnung. Ich halte mein Ticket hin und der Typ sagt: „Super!
      Auf DICH haben wir noch gewartet! Jetzt sind alle da und wir können hier zumachen
      und auch das Festival geniessen.“ Dann
      macht er mir das Bändchen um und sagt mit schiefen Blick: „Bist du denn schon
      18?“ – „Haha, ja, grade knapp! Du Charmeur!“

      Der Weg zur Bühne ist auch nicht allzu kurz, aber man merkt es nicht wirklich, weil die
      Bühne ständig im Blick ist. Die Vorfreude trübt die Wahrnehmung.

      Endlich komme ich rein. Zuerst bietet mir ein Girl am Eingang Sonnenschutz an, dann
      kriege ich Chips. Dort verteilt jemand Kaugummi. Das ganze Festival ist gut
      beschildert, vom Bahnhof weg keine Chance, sich zu verlaufen. Alles perfekt
      organisiert. Schweizer halt.

      Es gibt Dixi Klos und aber auch normale mit Spülung. Dort gibt es auch Trinkwasser und
      eine witzige Dusche im Freien zur Abkühlung.

      Am Himmel türmen sich hier und dort Wolken, es könnte schon sein, dass sich noch
      was zusammenbraut, das geht manchmal schnell in den Bergen, aber noch scheint
      die Sonne und der angesagte Regen bleibt aus. Es ist heiss und die umsichtigen
      Organisatoren haben ein riesen Zeltdach aufbauen lassen zwischen den
      unglaublich vielen und vielseitigen Foodständen (asiatisch, schweizerisch,
      tibetisch, jemenitisch, vegan,...). Da kann man dann gemütlich am Tisch sitzend
      sein Essen verspeisen und hat auch noch beide Bühnen im Blick. Genial. Ich bin
      hin und weg.

      Am Jack Daniels Stand spielen sie Airbourne. White Line Fever. Seeehr gut. Passt total
      zum Wetter.

      Oh granios! Es gibt keine Wellenbrecher, man kann einfach nach Lust und Laune rein
      und raus.

      Und dann die Leute. Alle aufgeschlossen und nett, jeder quatscht mit jedem. Und das
      auch noch auf Schweizerdeutsch. Ich liebe dieses Festival und weiss jetzt
      schon, dass es zusammen mit Wacken und Hellfest zu meinen Lieblingen gehört.

      Um 15.30 Uhr spielen Powerwolf auf der grossen Bühne. Gleich daneben ist der
      cede.ch Stand, wo Airbourne um 16.00 Uhr eine Autogrammestunde geben.

      Also, ich bin gespannt. Powerwolf machen ein grosses Tamtam, als sie auf die Bühne
      kommen, sie sind geschminkt und haben sowas wie einen „Priester“ dabei. Sieht
      alles nach schwarzer Messe aus. Dann tritt der Sänger auf... und singt total
      schön. Hä?! Ich bin verwirrt. Ich meine, der Sound ist gut, die Stimme ist gut,
      aber die Aufmache und der Gesang passen nicht. Wo sind die Black Metal
      Shrieks?! Oder wenigstens ein Growling?! Leicht verwirrt lasse ich das mal so
      auf mich wirken.

      Zum Glück ist Zeit für Airbourne. Vorm Zelt steht schon eine unglaubliche Schlange
      von Leuten. Airbourne T’Shirts überall. Die sind die Stars vom Greenfield,
      eindeutig. Die Autogrammstunde vorher wurde sogar abgesagt, weil kein Schwein
      da war. Grosser Jubel für die Jungs, die sich gleich an die Arbeit machen.
      Herald steht an der Abschrankung und dirigiert und treibt die an, die ewig
      Fotos machen und weiss ich nicht was. Ich gehe hin und er freut sich sichtlich,
      mich zu sehen und quatscht gleich los. „Heute morgen habe ich den Wecker auf halb
      Sechs gestellt, dann bin ich einfach so mal tausend Meter den Berg hoch! Super!“
      – „Wart ihr denn nicht schwimmen? Hier gibt’s zwei wunderschöne Seen.“ – „Ja,
      das wäre natürlich auch was, aber du siehst ja“, er zeigt auf die
      Autogrammsession, „ist halt immer was los.“ Wir unterhalten uns noch über
      Powerwolf, die er mag, und über die lange Fahrt von Polen in die Schweiz, und
      zwischendurch kümmert er sich immer mal wieder um die Fans.

      Bei Dave steht grade niemand und er winkt mir zu: „Hi Jamila, how are you?“ – „Hi
      Dave“, winke ich zurück. Dann ist er schon wieder beschäftigt. Auch Justin hat
      mal Zeit und winkt: „Hi Jamila“. Er grinst und winkt mit seinem Filzstift in
      der Hand. Die Hand hat fast genausoviel Farbe abbekommen wie die
      Autogrammkarten, und das nach 10 Minuten Autogrammsession. Sogar Ryan lässt
      sich zu einem Lächeln und einem „Hi“ hinreissen, nur Joel schaut irgendwie
      durch mich hindurch. Echt jetzt? Dabei hatten wir doch so gut gerockt
      miteinander. So eine Diva.

      Nachdem alles unterschrieben ist, was immerhin fast 40 Minuten gedauert hat, stellen
      sich die Jungs noch brav hin für ein Foto, dann ziehen sie von dannen.

      Ich geh erst mal was essen, damit ich nachher durchhalte und mampfe Pommes Frittes,
      während auf der grossen Bühne Danko Jones anfängt, zu spielen. Immerhin, ich
      kann ihn gut hören, laut genug ist er. Kaum bin ich fertig, zieht es mich da
      hin. Ich komme grade rechtzeitig, um ein absolutes Highlight zu erleben. Danko
      hat aufgehört zu spielen, um ein paar Worte an die Fans zu richten. Er bedankt
      sich und sagt, es sei total geil hier zu spielen und ... Er stockt und schaut
      zu, wie die Fans eine La Ola machen. Viel Lob von Seiten Danko. Dann setzt sich
      der ganze grosse Pit auf den Boden und tut so, als ob sie zusammen rudern, mit
      vor und zurück Bewegung und allem. Danko ist hin und weg. Er sagt den
      Kameramännern explizit, sie müssen das unbedingt filmen. Anschliessend stehen
      die Leute auf und rasen wie die Verrückten im Circle Pit herum. Ohne Musik. Von
      der Stampede wird eine Menge Staub aufgewirbelt. Danko bleibt die Spucke weg:
      „I’ve never seen a circle pit without music!“
      Es ist echt eindrücklich, die wissen, wie man feiert. Ohne Aufforderung,
      ohne Ansage.

      Ich gehe langsam nach vorne und als er fertig ist, kann ich ganz easy in die erste
      Reihe, genau da, wo ich hin wollte. Ganz leicht links von der Mitte. Auf beiden
      Seiten im Pit steht ein Turm für den Kameramann, wäre ich weiter links, könnte
      ich nicht die ganze Bühne sehen. Mir ist bewusst, dass bei Airbourne sicher was
      los sein wird, aber das schaff ich schon. Wird das letzte Mal sein vor einer
      langen Pause.


    • Die nächste Band hat Mühe. Niemand kennt sie und der Sound ist na ja, halt nicht,
      worauf das Publikum Bock hat. Life of Agony. Die Sängerin macht sich auch nicht
      beliebter, als sie was von „let loose or fuck yourself“ sagt. Ich denke mir
      grade noch so, das wird eine lange Stunde, bis endlich der Umbau von Airbourne
      los geht, da sagt sie „oder soll ich runterkommen?!“. Noch bevor mir klar ist,
      ob das ernstgemeint war, springt sie von der Bühne runter und ran an die
      Barriers! Damit hatte keiner gerechnet und der Jubel ist gross. Sie toppt die
      Sache aber noch, indem sie beherzt über die Barriers ins Publikum springt und
      singend zwischend den Leuten herumläuft. Endlich geht der Pit ab und sie
      mittendrin! Ihr Tourmanager lacht und sieht das mit Humor, ist aber in der
      Nähe. Dann wird sie hochgehoben und surft über die versammelte Crowd! Als sie
      einmal durchs ganze Publikum gerockt ist, steigt sie auf der andern Seite
      wieder über die Barriers. Aber sie macht keine Anstalten, wieder auf die Bühne
      zu gehen, sondern bleibt bei uns. Ihr Gitarrist muss ihr von oben zurufen,
      welcher Song als nächstes dran ist. Genial, wie sie diese Show gerettet hat.
      Entsprechend viel Applaus kriegt sie dafür. Den Rest der Show singt sie unten
      an den Barriers, steht mal da hoch, mal dort, umarmt Leute und lässt sie
      mitsingen.

      So vergeht die Zeit dann doch noch ganz schnell und schon fängt der Umbau vor
      Airbourne an. Herald wirft mir eine Flasche Wasser zu. Dankeschön. Es wird
      enger im Publikum, aber die Stimmung ist so gut, dass ich mir keine Gedanken
      mache, dass das ein Problem werden könnte.

      Unter grossem Jubel stürmen die Jungs die Bühne und Justin rennt zuallererst lachend
      vorne an den Rand zu mir. Wir bangen dann auch gleich los und zu meiner Freude
      sind ganz viele Headbanger im Publikum. Kurz darauf geht das grosse Crowdsurfen
      los. Es kommen unglaublich viele rein und die Security ist echt gefordert. Sie
      haben es aber genial gut im Griff und hinter mir steht zum Glück ein kräftiger
      Typ, der auch ganz viel abfängt, was mir sonst hätte zu schaffen machen können.

      Herald soll mit Joel durchs Publikum, warum genau er das nicht macht und nur im Pit
      unterwegs ist, erschliesst sich mir nicht. Aber sieht auch so gut aus. Adam
      läuft wie immer zur Absicherung hinterher und als er im Pit an mir vorbeikommt,
      winkt er mit beiden Händen.

      Es ist viel los, da der Pit am rocken und rennen, hier die Crowdsurfer, und das Cheap
      Wine auf die Schulter klettern Spiel wird dadurch getoppt, dass VIER Leute
      aufeinander sitzen! Unglaublich! Schnell machen alle Fotos, Adam, Herald, das
      Publikum. Eine reife Leistung und Joel zeigt ganz glücklich darauf. Sowas
      kriegt man nicht alle Tage zu sehen.

      Dave kommt rüber und singt und lacht und scheint richtig gut drauf zu sein. Ryan
      kann ich leider nicht so gut sehen, Joel steht quasi davor. Und den beachte ich
      heute mal nicht so. Obschon mir auffällt, dass er schon schaut, ob ich mit ihm
      singe. Dann zeigt er schnell auf mich. Ja, hättste mal Hallo gesagt...

      Wir headbangen, wenn immer grade mal kurz kein Crowdsurfer reinkommt. Einmal geht
      etwas schief und wir fallen alle zusammen nach hinten. Da hält sich doch
      tatsächlich der Hintermann um meinen Hals fest. Keine gute Idee! „Ah! Nicht um
      den Hals!“ - „Sorry, sorry, sorry!“ höre ich nur von hinten, aber keine Zeit
      für irgendwas, da kommt schon der nächste Surfer.

      Ein paar blaue Flecken wird es schon geben und einmal landet mir mal wieder ein
      Fuss im Gesicht. Solang’s nicht blutet...

      Heute haben sie „Stand and Deliver“ im Programm und die Leute gehen krass ab! Ich
      frage mich, ob sie den Song kennen, egal, Hauptsache es rockt.

      „Bottom of the Well“ gibt uns eine kleine Verschnaufpause, nicht sooo viele Surfer
      grade. Der junge hübsche Security vor mir lächelt mir zu. Joel fordert uns auf,
      der Security zu applaudieren und das tun wir aus ganzem Herzen. Die machen
      einen tollen Job.

      Bei „Black Dog Barking“ headbange ich durch den Chorus und sehe, wie Justin mir
      zuschaut. Als ich hochkomme, lacht er und tut so, als ob er gleich umfällt.
      Schon müde, junger Mann?

      Joel springt öfter auf die Kameratürme, um näher dran zu sein, dort schlägt er dann
      sein Bier auf und spielt Solos oder leuchtet mit dem Scheinwerfer ins Publikum.
      Der arme Kameramann hat kaum Platz, gibt sich aber Mühe und macht eine super
      Aufnahme. Ich hoffe mal, das gibt’s irgendwo auf Video zu sehen. Die ganze Show
      ist sehenswert.

      Obschon die Show rasant ist und wir von Anfang bis Ende nur rocken und toben und alles
      geben, hätte ich nach „Runnin‘ Wild“ noch weitermachen können. Das war sooo
      gut.

      Justin steht am Rand und sucht einen Weg runter. Ist aber scheiss hoch. Er
      verschwindet und taucht dann von unter der Bühne hervor auf. Schnell Picks
      verteilen und Hände schütteln.

      Ich gehe etwas weiter raus, damit die nächsten Fans den Platz einnehmen können für
      ihre Band. Hinter der Bühne an den Bergen sehe ich ein grandioses Alpenglühen
      der untergehenden Sonne. Total beeindruckend und tief rot. Ob das sonst noch
      jemand überhaupt bemerkt?

      Ich stehe da an den Barriers und versuche grade, meine Haare etwas zu entwirren, da
      leuchtet mir der Scheinwerfer ins Gesicht. Es ist Herald, der nochmal herkommt
      für eine letzte Umarmung. „Ich seh dich nächstes Jahr“, sage ich und kann mir
      das noch gar nicht vorstellen. Eine so lange Zeit ohne meine Jungs.

      Danach schaue ich noch den Anfang von The Gaslight Anthem, bis es Zeit wird, Richtung
      Bahnhof aufzubrechen. In diesem Moment fängt es an, zu wetterleuchten. Heute
      kriege ich aber die ganze Show von Airbourne und von Mutter Natur! Sooo schön!

      Ich genehmige mir ein Taxi zum Bahnhof und wir unterhalten uns gut. Mike mag Metal
      und so können wir uns über die Bands unterhalten und natürlich auch über das
      Privileg, an so einem schönen Ort zu wohnen. Auch er mag das Wetterleuchten und
      wir sind uns einig, dass das ein super Abschluss für dieses Festival ist.

      Mein Zug fährt um 23.00 Uhr los in Interlaken. Dann muss ich quasi überall
      umsteigen, einmal noch eine Stunde auf meinen Anschlusszug warten, und um 3.50
      Uhr falle ich dann müde aber glücklich ins Bett. Hat sich total gelohnt.